Buch
Auszug aus dem Vorwort:
Seit 1999 krönt den Bundestag eine große gläserne Kuppel. 3000 Quadratmeter Glas, als Symbol für Transparenz und Offenheit. In der Kuppel stehend blickt die Bevölkerung ihren Abgeordneten symbolisch über die Schulter. Es gibt ein Gefühl von Nähe und Kontrolle. Direkt gegenüber: das Kanzleramt und drum herum ein Bienenschwarm von Menschen. Die Politik ist mittendrin.
Eine Illusion. Viel Fassade und viel Schein. Es ist eine Glocke, eine abgeschottete Welt. Die Bevölkerung ist nur zu Besuch, so wie man eine entfernte Verwandte mal zum Kaffee einlädt. Der Widerspruch zwischen Darstellung und Handlung in der herrschenden Politik wächst. Einige ihrer Regeln und Strukturen sind so absurd, dass es mich überrascht, wie der Schein der Normalität überhaupt so lange gewahrt werden konnte. (…)
Das Wort »Krise« leitet sich vom griechischen Wort krísis ab und bezeichnet nicht nur eine bedenkliche Lage. Was viele nicht wissen, es bedeutet auch »Wendepunkt«. An genau so einem Wendepunkt stehen wir. Beugen wir uns den Risiken oder nutzen wir die Chance, wenden wir das Blatt?
Wenn es in der SPD mehr Menschen wie Marco Bülow gäbe, hätten wir Die PARTEI niemals gründen müssen.
Martin SonnebornSatiriker, Journalist, Schriftsteller – im Vorwort zu LOBBYLAND
Viele aufmunternde Reden und Schriften würden an dieser Stelle ergänzen, es liege nur an uns, und es sei nicht schwer, wenn man nur wolle. Doch es ist schwer. Und es ist weder mit einigen tollen neuen Technologien getan noch mit einem zartgrünen oder blassroten Anstrich, noch mit dem Engagement einer ganzen Generation, welches sich dann irgendwann in den Parteien niederschlägt und dort auch weitestgehend verebbt. Nein, das ganze verkrustete, lobbyierte politische System muss gesprengt werden, damit gehandelt werden kann. Man muss sich mit den wirklichen Mächtigen anlegen. Und nein, es geht nicht, ohne jemandem weh zu tun, ohne dass jemand verliert. Kein Update oder eine kleine Reform der Demokratie reicht dafür aus, wie zum Beispiel ein Lobbyregister, ein wenig Bürgerbeteiligung, etwas modernere Parteien …
Die Fassaden müssen eingerissen und die Demokratie einschließlich des Wirtschaftssystems demokratisiert werden. Sie gehört auch den nächsten Generationen. Freiheit und Sicherheit bewahren wir für unsere Kinder nur, wenn wir ihre Lebensgrundlagen nicht einschränken oder gar zerstören. Wie sieht es hinter der politischen Fassade wirklich aus? Wie dämmen wir den Profitlobbyismus ein? Wie schaffen wir wieder mehr Teilhabe? Wie befreien wir uns davon, dass wir hauptsächlich zu Arbeitskräften, Konsumentinnen und Teilzeitwählerinnen degradiert wurden? Wie verändern, revolutionieren wir unsere Demokratie – damit wir die wirklichen Krisen bewältigen können? Darum soll es in diesem Buch gehen.